Mittwoch, 30. September 2009

Lauzerte bis Moissac, 24 KM, 29.09.2009

So muss es im Mittelalter bei Karawanen zu und her gegangen sein: eine Nachricht kommt von hinten nach vorne, und Leute, die weiter hinten laufen, bekommen ebenfalls Nachrichten von weiter vorne mit. Eine besondere Geschichte erreichte mich heute: Uwe, ein Deutscher, er muss ca. 4 Tagesetappen hinter mir gelaufen sein; inzwischen ist er nach Hause gefahren, so dass ich ihn nie sehen werde. Aber seine Geschichte ist tragisch: Uwe ist der Vater eines 17 jaehrigen Maedchens, das auf der Schule in Winnenden (oder aehnlich) einem Anschlag zum Opfer fiel. So ein schlimmes Ereignis zehrt jedermann an der psychischen Substanz. So verliert Uwe auch noch seinen Arbeitsplatz und ist in entsprechender Betreuung. Auch die Beziehung zur Frau wird zur Belastungsprobe. Uwe entschliesst sich, auch durch Anraten seines Betreuers, seine Ruhe und sein Gleichgewicht auf dem Jakobsweg wieder zu finden. Leider terrorisierte ihn nun seine Frau taeglich mit SMS und Telefonanrufen. Zudem sperrte sie ihm das Bankkonto, so dass er sich nur noch mit Hilfe von Pilgerfreunden gerade noch ein Bahnbillett nach Hause kaufen konnte.

Es gibt wirklich Sachen, die kaum zu glauben sind: Christina, um die 50, ebenfalls Deutsche, schlaeft letzte Nacht im gleichen 3er-Zimmer wie ich. Bei einem kurzen Gespraech mit ihr, erfahre ich, dass sie Mutter von 5 Kindern sei, zwischen 12 und 26 Jahren. Ein Telefon habe sie nur fuer den Notfall. Sie rufe aber nie an und hoechstens ihre Mutter. Sie ist seit dem 3. September von Le Puy auf dem Weg und moechte bis Santiago; mit ihrem Tempo wird sie so 3 Monate brauchen. Weiter wollte ich nicht fragen, aber wundern tut mich schon, weshalb eine Mutter ihre minderjaehrige Kinder allein laesst, ohne eine Nachricht geben zu wollen?

Seit Tagen treffe ich immer wieder auf eine Gruppe aus Quebec, alle ungefaehr 20jaehrig. Sie fallen nicht nur wegen der Gruppe auf, sondern auch dadurch, dass sie unterwegs beim Mittagessen oder abends Lieder singen und Gitarre spielen. Sie alle haben ihren Gymnasium-Abschluss kuerzlich gemacht und sich fuer eine laengere Reise entschieden: von Le Puy nach Santiago und Finisterre, dann weiter durch Portugal und noch durch andere Laender in Europa (dann allerdings nicht mehr zu Fuss). Es sind alle sehr anstaendige und froehliche junge Leute, die einen erfreuen, und sie geniessen ihren einjaehrigen Unterbruch, bevor sie dann ihr Studium beginnen.

Am Morgen bin ich ziemlich kopflos gestartet. Nach 5 KM merke ich, dass ich den GPS Logger vergessen habe einzuschalten. Ich leere den ganzen Rucksack, finde nichts. Shitt, vergessen, in der Gite (nicht so schlimm, es ist ja Armins, haha!!!). Ich rufe an, und wollte fragen, ob sie ihn mir nach Moissac nachschicken, da ich dort 3 Tage ruhen werde (Vreni auf Besuch!). "Nein, nein", meinte Gite-Besitzer, "ich bringe ihn dir sofort". 15 Min. habe ich den GPS Logger wieder. "Merci beaucoup" fuer den Superservice!! Es waere sehr schade gewesen, wenn all die aufgenommenen Daten verloren gegangen waeren.

Das Wandern fiel mir heute wieder betraechtlich schwerer: es war eine moerderische Hitze (33° im Schatten), es gab groessere Strecken ohne Schatten und zudem spuerte ich bei jedem Schritt wieder das Huehnerauge.
Am Abend dann Vreni am Bahnhof abgeholt und anschliessend fein gegessen.

Die naechste Etappe werde ich erst wieder am Samstag aufnehmen und hoffe, dass sich in den 3 Tagen mein Gehapparat regenerieren laesst, damit ich wieder schmerzfrei laufen kann. Den Blog setze ich in dieser Zeit aus und wuensche allen eine gute Zeit.

1 Kommentar:

  1. Robert, wir waren dank deine Beschreibungen wieder dabei und haben auch noch an Dich gedacht auf unserem Weg in die Terri Hutte.
    Geniesse deine Tage mit Vreni und wir wunschen Euch alles Gute, Hans/Loes

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